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Grußwort von Dr. Heinrich Bedford-Strohm

Landesbischof der Evang.-Luth. Kirche in Bayern
und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

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Was Heimat bedeutet, erfährt man manchmal erst in der Fremde. Was lieb und wertvoll ist, wird einem erst bewusst, wenn man von dem abgeschnitten ist oder gar gewaltsam getrennt wurde, was einem vertraut und gewohnt ist. Heimweh macht schmerzhaft deutlich, wo die Heimat liegt.

 

Mit Heimat verbinden Menschen Unterschiedliches. Es mag der Wohnort sein, an dem man geboren oder aufgewachsen ist. Der Ort, an dem man Freunde gefunden hat. Heimat ist die Familie. Heimat, das sind Erinnerungen, Gerüche und Geräusche, oft mit der Kindheit verbunden. Heimat ist Sprache, in der man träumt, denkt, betet und hofft. „Heimat ist kein Ort. Heimat ist ein Gefühl“, wie Herbert Grönemeyer in seinem Lied „Heimat“ singt.


Menschen, die fliehen müssen, erleben dies sehr intensiv. Das zeigt die hier vorgestellte Ausstellung auf eindrückliche Weise. Sie erzählt Flucht- und Heimatgeschichten anhand eines liebgewordenen Gegenstandes. Eine Puppe, ein Bär, ein Pullover werden zum Zeichen der Heimat, weil er oder sie die noch einzige Verbindung zum Verlorenen darstellen. „Nur den Teddy habe ich mitgenommen. Mit dem hellblauen Jäckchen und Höschen. Alles andere habe ich dort gelassen. Den Teddy habe ich nicht hergegeben. Der war wichtig für mich.“ Mit diesen Sätzen beschreibt Christine W., 85 Jahre, wie ein Stoffteddy ihr von Kindheit an Heimat und Geborgenheit schenkt, trotz Flucht und Vertreibung. Für Ali A., 19 Jahre, ist es ein Pullover. Um den Taliban zu entkommen, muss er aus Afghanistan fliehen. Sein Pullover gibt ihm Sicherheit. „So viele Erinnerungen an einen Pullover hat vielleicht niemand. Der Pullover ist ein Stück Heimat. Ich vermisse meine Heimat. Heimat ist Heimat. (...) Und ich will meine Heimat nicht einfach von mir trennen.“


Es beeindruckt, wie offen und verletzlich die Menschen dieser Ausstellung ihre Fluchtgeschichte erzählen. Hört man ihre Geschichten und sieht ihre Bilder, eröffnet sich ein besonderer Sehnsuchtsraum Heimat, der zugleich tröstet und schmerzt. Mir wird dadurch wieder deutlich, dass kein Mensch seine Heimat leichtfertig verlässt. Es zeigt, wie schutzbedürftig und verletzlich flüchtende Menschen, insbesondere Kinder, sind.


Die Philosophin Hannah Arendt hat das Recht auf Heimat und den damit verbundenen Schutz einmal als elementares Menschenrecht bezeichnet. Was bedeutet dieses Recht auf Heimat in einer Welt, in der derzeit ca. 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht sind?


Wir Christen glauben an eine Heimat bei Gott. Das bedeutet jedoch keine Weltflucht ins Jenseits. Stattdessen wollen wir Christen uns dafür einsetzen, dass jeder Mensch einen Ort hier auf Erden findet, wo er sich geborgen und geschützt fühlt. Ich danke allen Haupt- und Ehrenamtlichen, die sich, auch im Zusammenhang mit dieser Ausstellung, dafür einsetzen.


Ich wünsche der Ausstellung viel Aufmerksamkeit und den Segen Gottes.

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